Das Gesundheitswesen im Wandel der Zeit

Es ist unverkennbar, dass unsere Welt – in vielerlei Hinsicht – einen stetigen Wandel durchläuft. Das Gesundheitswesen bleibt von diesen Entwicklungen nicht ausgeschlossen. Für die Gesundheitssysteme stellt vor allem der demografische Wandel eine zentrale Herausforderung dar. Mit der steigenden Lebenserwartung der Gesellschaft, steigen auch die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und damit auch die Kosten, die das Gesundheitswesen belasten. Für die Entlastung des Gesundheitswesens gibt es zwei wesentliche Stellenschrauben, die ineinandergreifen: Zum einen muss in Zukunft ein größerer Fokus auf gesundheitsfördernde Maßnahmen gerichtet werden, zum anderen muss die Digitalisierung des gesamten Gesundheitswesens vorangetrieben werden.

Von einer stärkeren Sensibilisierung für Gesundheitsförderung profitiert nicht nur das Gesundheitssystem, sondern natürlich auch Leistungsempfänger und Arbeitgeber. Gerade in der aktuellen Pandemiesituation hat sich gezeigt, welche zentrale Rolle Gesundheitsförderung spielt: Auf der einen Seite für die Personen, die durch COVID-19, Quarantäne und Homeoffice Anlässe und Motivation zur Bewegung verloren haben und auf der anderen Seite für diejenigen, die sich sportlich betätigen wollen, denen aber durch geschlossene Sportstudios die Möglichkeiten fehlen. Durch einen stärkeren Fokus auf digitale Angebote kann hier eine erste Abhilfe geschaffen werden. Die Digitalisierung der Gesundheitsförderung ist nur ein kleines Rädchen auf dem Weg zu einem rundum digitalisierten Gesundheitswesen, das dazu beitragen kann, Kosten von Gesundheitsleistungen langfristig zu senken, den Zugang zu erleichtern und gleichzeitig die Effizienz der Leistungen zu steigern.

Status Quo – die digitale Gesundheit in Deutschland

Während in anderen europäischen Ländern Telemonitoring, Video-Sprechstunden und elektronische Patientenakten längst Standard sind, werden die Chancen digitaler Technologien in Deutschland noch nicht vollständig genutzt. Um die Entwicklung in Deutschland voranzutreiben, hat das Bundesgesundheitsministerium verschiedene gesetzliche Maßnahmen hervorgebracht. 2011 wurde bereits die elektronische Gesundheitskarte eingeführt. Danach folgte das „E-Health-Gesetz“ (Ausbau der Telematikinfrastruktur) und mit dem „Digitale-Versorgung-Gesetz“ haben es auch digitale Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung geschafft. So hat jede:r gesetzlich Versicherte das Recht auf die Versorgung mit digitalen Gesundheitsdiensten. Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz sind die Krankenkassen seit Januar 2021 verpflichtet, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen. Hier können zunächst vorhandene Daten der Patienten, wie zum Beispiel Notfalldaten, Medikationspläne oder Arztbriefe gespeichert werden. Zusätzlich können auch eigene Daten (z.B. Tagebuch über Blutzuckermessungen) hinterlegt werden. Die Versicherten können ihre Daten über ein geeignetes mobiles Endgerät eigenständig und außerhalb der Arztpraxis einsehen und sind dadurch umfassend über ihre Diagnose und Therapie informiert.

Zusätzlich hat sich im Zuge der Digitalisierung die Infrastruktur für den Datenverkehr mit mobilen Endgeräten verbessert. Mobile Anwendungen wie Gesundheits-Apps, Fitness-Tools und Geräte zur Vitaldatenmessung etablieren sich zunehmend im Alltag und bedienen eine immer stärker wachsende Zielgruppe an Gesundheitsinteressierten in einer digital agierenden Gesellschaft. Dies ermöglicht eine verbesserte und verstärkte Steuerung der individuellen Gesundheit.

Die Chancen der digitalen Gesundheit

Die Chancen eines digitalisierten Gesundheitswesens liegen primär in einer besseren Vernetzung des Gesundheitssystems und einer erleichterten Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren des Gesundheitswesens. Routinebehandlungen in unterversorgten Bereichen können von einer elektronischen Unterstützung profitieren. Durch digitale Rezepte und eine effizientere Versorgung könnten Kosten eingespart werden. Gesundheitsanwendungen würden leichter zugänglich und auch die Qualität der Behandlungen könnte durch innovative Technologien verbessert werden. Die Digitalisierung schafft neue Diagnostik- sowie Behandlungsmöglichkeiten und ermöglicht außerdem eine intensivere Einbindung und Teilhabe der Patient:innen in den eigenen Behandlungsprozess.

In diesem Zuge entwickelt das durch das EU-Rahmenprogramm „Horizion 2020“ geförderte Forschungskonsortium „Smart4Health“ eine mobile App, die es Nutzer:innen ermöglicht, ihre Gesundheitsdaten EU-weit sicher und unkompliziert zu verwalten, zu teilen und zu spenden.

Digitale Zukunft? – Aber sicher!

Trotz der zahlreichen Chancen, die mit der fortschreitenden Digitalisierung einhergehen, tun sich auch mögliche Risiken auf. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördert eine massive Datenverfügbarkeit und Datenerhebung. Gesundheitsdaten der Versicherten werden mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zwischen Ärzt:innen und Patient:innen, aber auch zwischen den einzelnen Leistungserbringern ausgetauscht. Dabei handelt es sich um hochsensible Daten, für die höchste Sicherheit gewährleistet werden muss. Richtig eingesetzt und unter Beachtung strenger Datenschutzbestimmungen können große Datenmengen gebündelt, langfristig gespeichert und gezielt ausgewertet werden, um einen Informationsmehrwert für Forschung, Gesundheitssystem und einzelne Patient:innen zu generieren (z.B. erhöhte Wirksamkeit bestimmter Therapien, Nebenwirkungen oder Medikamente). Gleichzeitig bestehen im Umgang mit großen Datenmengen Probleme bei der Dateninterpretation und die Gefahr von Datenmissbrauch. Wichtig bei der Nutzung dieser Daten ist auch die Beachtung der Qualität und Validität. Daher darf die Verbraucherpolitik die Chancen und Risiken eines digitalen Gesundheitswesens nicht nur unter dem Gesichtspunkt des technisch Machbaren betrachten, sondern muss auch die gesellschaftlichen Bedürfnisse abwägen und bewerten.

Mit kleinen Schritten in die digitale Zukunft

Um eine gemeinsame Vorstellung für ein erfolgreiches deutsches digitales Gesundheitssystem zu verwirklichen, hat das Bundesministerium für Gesundheit das Innovationsforum „digitale Gesundheit 2025“ initiiert. Dieses bietet Raum für einen strukturierten Gedankenaustausch zwischen Expert:innen aus allen Bereichen des Gesundheitswesens, um das digitale Gesundheitssystem zu gestalten und voranzutreiben. Geplante Schritte für die Zukunft sind unter anderem die Einführung eines elektronischen Rezepts, die Schaffung eines neuen Zugangs für digitale Gesundheitsanwendungen, das Voranbringen der Telemedizin und die Etablierung eines Forschungsdatenzentrums. Für 2022 ist bereits geplant, die elektronische Patientenakte um den Impfausweis, Mutterpass, das Kinder-Untersuchungsheft sowie das Zahnbonusheft zu erweitern. Außerdem sollen darin zukünftig auch Notfalldaten und Notkontakte hinterlegt werden. Dazu sollten bestehende Datenschutzmaßnahmen weiterentwickelt und angepasst und Standards für den aufkommenden Datenaustausch festgelegt werden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es jetzt wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten und die Kompetenzen, das Verständnis sowie die Akzeptanz digitaler Leistungen sowohl bei den Leistungserbringern als auch in der Gesellschaft zu stärken. Die Einführung einer systematischen Qualitätskontrolle aller digitalen Instrumente könnte langfristig dabei helfen, professionelle von weniger qualitativen digitalen Angeboten zu unterscheiden.

Fazit

Die aktuelle Pandemie-Situation kann und sollte als Chance für ein digitales Gesundheitswesen genutzt werden. Denn genau jetzt ist die Digitalisierung von Gesundheitsleistungen das Mittel der Wahl. Es ist an der Zeit, mehr strukturelle Rahmenbedingungen für ein digitales Gesundheitswesen zu schaffen, eine Veränderungsbereitschaft der Gesellschaft zu fördern und den Einstieg in die Nutzung sinnvoller digitaler Gesundheitsanwendungen so leicht wie möglich zu gestalten. Denn zuletzt entscheidet das Nutzungsverhalten der Bevölkerung, ob das digitale Angebot angenommen und die medizinische Versorgung wirklich verbessert wird.

Über die Autorin:

Isabell Grotenklas ist Gesundheitsmanagerin bei der ZS Unternehmen Gesundheit GmbH & Co. KG. Die ZS Unternehmen Gesundheit ist Anbieter betrieblicher Gesundheitsförderung. Das Team aus Gesundheitsmanager:innen, Sportwissenschaftler:innen und Spezialist:innen arbeitet deutschlandweit und hat seinen Hauptsitz in Aachen.

Bildquelle Beitragsbild: © sdecoret/ stock.adobe.com

Auotorin: Isabell Grotenklas, Gesundheitsmanagerin bei der ZS Unternehmen Gesundheit

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