Das Wesen technologischer Ideen

Eine technologische Idee ist in der Regel eine neue oder verbesserte Lösung von Problemen mit Hilfe der technologischen Anwendungen. Sie kann aber auch eine völlig neue Lösung sein, die bisherige Technologien ablöst bzw. unwichtiger werden lässt.

In der ersten Variante werden durch Kombination mehrerer bekannter Technologien oder in der Übertragung der Anwendung bestehender Technologien auf neue Gebiete neue Lösungen geschaffen (inkrementellen Innovationen). Die Entwicklung inkrementeller Innovationen bewirkt eine allmähliche und kontinuierliche Verbesserung der bestehenden Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen. So können diese in ihrer Wirkung effizienter, in der Nutzung einfacher, komfortabler, vielseitiger, im Einsatz im Unternehmen schneller und kostengünstiger oder in der Wahrnehmung und Gestaltung attraktiver gemacht werden, ohne wesentliche Änderung der Kernfunktionalität des Produkts oder der Dienstleistung.
In der zweiten Variante handelt es sich um sogenannte disruptive bzw. radikale Innovationen. Sie können auf neuen Forschungs- und Entwicklungsergebnissen basieren oder völlig neue Konzepte in bestehenden Märkten mit neuartigen Prozessen, neuen Technologien aber auch neuen Geschäftsmodellen (disruptive Geschäftsmodelle) sein. Sie ersetzen bestehende Produkte oder verdrängen diese vollständig vom Markt oder schaffen neue, bisher nicht vorhandene Märkte.

Warum sind technologische Ideen – immer noch – wichtig?

Technologische Ideen sind in den industrialisierten Gesellschaften die Grundlage für einen großen Teil der Produkte, Prozesse und Dienstleistungen (kurz Produkte genannt). Der Entwicklungsgrad unseres Lebensstands und unserer Kultur wird in erheblichem Maße von technologischen Ideen beeinflusst. Denn, der Mensch hat schon immer – aus Faulheit, Effizienzgründen oder Neugier – versucht, die eigene Körper- und Mentalkraft durch andere Mechanismen zu ersetzen. Diese sind z. B. Werkzeuge, mechanische-, technische-, elektrische-, chemische-, biologische- oder vollständig digitalisierte Technologien und/oder Kombination von einigen oder allen dieser Komponenten. Seit der Erfindung der Dampfmaschine in 1769 befinden wir uns in einem permanent nach oben verlaufendem Wachstum an neuen Technologien und damit neuer Branchen bzw. Trends. Jedes neue Technologiefeld bringt neue Lösungen in Kombination mit den bisherigen mit bzw. ermöglicht wiederum die Entwicklung weiterer neuer Technologien und damit neuer Wirtschaftszweige, die sich in den Konjunkturverläufen als eine neue Welle wiederfinden lassen.

Die Entwicklung neuer Technologien hat in den letzten 30 Jahren exponentiell zugenommen. Das stellt die Wirtschaft und die Gesellschaft vor große Herausforderungen, da die Komplexität der Systeme immer größer und die Notwendigkeit der Anpassungen im Alltag der Menschen bzw. Unternehmen immer schneller und dringender werden.

In den letzten beiden Jahrzenten folgten der Welle der Informationstechnologien, die laut den sogenannten „Kondratjew-Zyklen“ nach 1990 die Basistechnologie und damit den Aufschwung bildeten, weitere Technologien wie interaktive Internettechnologien, Kommunikationstechnologien, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Big Data, neue Mobilitätskonzepte, Digital Health, Blockchain, Robotik, Quantentechnik, oder das Internet of Things etc.

Neben den oben genannten Herausforderungen bilden neue Technologien viele neue Chancen, zum Beispiel für Gründungen von neuen Unternehmen oder die Entwicklung von neuen „Produkten“ und damit für mehr Wachstum oder für Paradigmenwechsel in Unternehmen.

 

Wie werden neue Technologien zu neuen Produkten, oder umgekehrt?

Eigentlich müsste diese Frage heißen: „Welches neue Produkt wird nachgefragt und welche Technologie ist dafür verfügbar bzw. notwendig?“ Die „klassische“ Variante „Es gibt eine neue Technologie, welches Produkt lässt sich daraus machen?“ wird hier umgedreht betrachtet. Eine Technologie ist nämlich noch kein Produkt. Daher gilt es – zum Beispiel bei Neugründungen, die auf neuen Technologien basieren – aus neu entwickelten Technologien neue Produkte zu generieren. Hierbei ist der wichtigste Gradmesser – immer noch – der Markt. Am Markt treffen Anfrage und Angebot aufeinander. Der Anfrage liegt ein Bedarf, und dem Bedarf liegt ein Bedürfnis zugrunde. Das Wort Bedürfnis umfasst Gemütszustände wie Mangelempfinden, Verlangen, Wunsch, Motiv, Trieb, Interesse, Begierde etc. Wenn man ein Unternehmen gründen möchte, sollte man nicht nur die offensichtlichen Bedarfe sondern auch die unterschwelligen Bedürfnisse und die Bedürfnisketten, also den Ursprung und die Folgen in der Entstehung des Bedürfnisses gut kennen. In der heutigen Zeit, in der die Entwicklungsgeschwindigkeit von Bedürfnissen und Produkten stark zugenommen hat, in der die Anwendungen vielseitiger und Prozesse viel komplexer werden, reicht es nicht mehr, nur die direkten Bedürfnisse anzusprechen.

 

Der Kundenbedarf als ständige Metamorphose?

Wenn ein Unternehmen oder die Gründer:innen in ihren Konzepten den Bedarf definieren, sollten sie sich bewusst darüber werden, dass die Bedarfe permanent im Wandel sind, außer in absoluten Grundbereichen wie der Bedarf nach Lebensmitteln, einer Unterkunft, Wärme, Strom etc., Selbst dort ändern sich die Dienstleistungen und Verarbeitungsmerkmale stark. Beispielsweise werden jetzt Lebensmittel zunehmend ins Haus geliefert statt nur in stationären Supermärkten zum Selbstabholen angeboten, oder die Haushalte erzeugen Strom durch Photovoltaikanlagen auf dem Hausdach und speisen diese in die Stromnetze ein. Auch solche, vermeintlich einfache Änderungen muss man im Blick haben, denn eine Bewegung in der Kette bringt wieder andere Bedarfe mit sich, oder lässt einige Produkte obsolet werden. Diese Änderungen müssten in der „ganzheitlichen Bedürfniskette“ in der Entwicklung eigener Produkte berücksichtigt werden. So lange die Arbeitswelt, der Alltag, die Produktion, ja eigentlich alle Lebensbereiche, optimiert werden können, solange werden sich auch Bedarfe wandeln und sich im Gesamtkontext anpassen müssen.

Eine häufig gestellte und wichtige Frage von Gründer:innen ist: wie kann man die Bedarfe und Änderungen erkennen oder vorhersagen? Die Herausforderung heutzutage ist nicht, Informationen dazu zu bekommen, sondern aus einer immensen Informationsmenge genau die richtigen und wichtigen herauszufiltern und diese dann für die eigene Anwendung zu verwerten. Solche Informations- und Inspirationsquellen können beispielsweise sein: Kundenfeedbacks, Reklamationen von Kund:innen, Foren, in denen Produkte bewertet werden, Social-Media-Beiträge, eigene Beobachtungen, Anwendungen in anderen Ländern oder fachfremden Märkten, Patentdatenbanken, Wissenschaftsberichte, Dissertationen, Aufsätze, Technologietransferberichte, Veröffentlichung der Patentverwertungsagenturen, Marktforschungsergebnisse, Zukunftsforschung, Branchennews, Unternehmensbilanzen bzw. Berichte, statistische Erhebungen, Internetrecherchen, andere Berichte und Bewertungen in Medien, Messen und Ausstellungen, u. v. m.

 

Innovation Sales

Ein erfolgreiches, nachhaltiges Produkt zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur Bedürfnisse befriedigt, sondern viel mehr bietet: Es überzeugt die Nutzer:innen mit ganzheitlich überlegten Features, überrascht positiv mit raffiniert und einfach gelösten Bedienungen, erzeugt Aha-Effekte mit Kompatibilität und Adaption in die Produktekette in diesem Bedürfnisbereich, sichert die pünktliche und zuverlässige Serviceleistung und Garantien, lässt die Qualität und Produktsicherheit von anerkannten Instituten bestätigen, vermittelt den Käufer:innen das Gefühl, die beste und attraktivste Lösung zu erwerben, integriert die Nachhaltigkeit so, dass eine Reparatur und die umweltfreundliche Entsorgung gewährleistet sind. Diese Liste ließe sich sicherlich noch erweitern. Das alles in der Summe sind die sogenannten „Kaufargumente“, die ein Produkt erfüllen sollte. Eine der wichtigsten Fragen, die Gründer:innen sich zu Beginn stellen sollten, heißt daher: „Warum sollten die Kunden mein Produkt anderen Lösungen vorziehen?“ Diese Frage sollte jeder Anbieter sich selbst sehr ehrlich beantworten.

 

Schutz von eigenen Lösungen nicht vergessen!

Neue Lösungen erfordern meist viel Zeit und Geld in der Entwicklung. Daher sind gewerbliche Schutzrechte wie das Patent, das Gebrauchsmuster oder die Marke und das Design Wettbewerbsvorteile, die die Gründer:innen und Innovationsunternehmen nutzen sollten. Gewerbliche Schutzrechte sind hauptsächlich Verbietungsrechte, das heißt, sie schützen die Rechtsinhaber:innen vor Nachahmung und damit vor wirtschaftlichen Schäden und Reputationsschäden. Ob ein gewerbliches Schutzrecht zielführend ist, und wenn ja, welche Kosten und Prozesse damit auf das eigene Unternehmen zukommen können, sollte genau recherchiert sein. Sonst können Schutzrechtskosten für Gründer:innen auch zu einer Liquiditätsfalle werden. Daher ist zum Schutzrechtserwerb professionelle Beratung und Begleitung unabdingbar. Damit wird die Umsetzung technologischer Ideen auf eine solide Basis gestellt.

Über die Autorin:

Havva Coskun-Dogan ist Abteilungsleiterin bei der Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer mbH (AGIT), der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit Sitz am Campus Melaten. Bei der AGIT berät sie seit ihrem Eintritt in 1999 technologieorientierte Gründer:innen und Innovationsunternehmen in allen wirtschaftlichen Belangen der Gründung und des Innovierens. Den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bilden die Schutzrechtsthemen wie Patente, Gebrauchsmuster sowie die Medizintechnik- und Lasertechnikunternehmen. Havva Coskun-Dogan bietet im digitalHUB regelmäßig die kostenlose Sprechstunde „Umsetzung technologischer Ideen by AGIT“ an.

Weitere Infos und Anmeldung zur Sprechstunde

 

Beitragsbild: stock.adobe.com/ipopba

Havva Coskun-Dogan

Havva Coskun-Dogan, Abteilungsleiterin bei der AGIT

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