Fünf Thesen zur Aachener Breitbandversorgung in Pandemiezeiten

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert in unserem privaten und geschäftlichen Umfeld. Welche Auswirkungen hatte sie auf die Breitbandversorgung in unserer Region? Fünf Thesen aus dem Blickwinkel eines regionalen Telekommunikations- und IT-Dienstleisters.

 

1. Netflix schlägt Homeoffice und Homeschooling

Auch in Lockdown-Zeiten hat sich der Peak der Internetnutzung nicht verschoben. Trotz aus dem Boden schießender Homeoffice- und Homeschooling-Angebote bleibt die Spitzenlast im Internetbackbone weiterhin zwischen 21 und 22 Uhr. Natürlich hatten die veränderten Lebensumstände in der Pandemie Einfluss auf die Netzlast insgesamt. So lag diese im Januar 2021 um 40 Prozent über dem Wert von Januar 2020. Etwa die Hälfte des Anstiegs ist Folge der Pandemie, der Rest die stetige Fortführung des schon vorher bestandenen Wachstums. Auch wenn vormittags ein deutliches Plus durch Homeoffice und Homeschooling zu erkennen ist; netzprägend bleibt der Abend und damit im Wesentlichen die Streamingdienste. Die Glasfaser-Netzbetreiber in Deutschland konnten den Anstieg der Netzlast jederzeit auffangen und ausreichend Kapazität bereitstellen, wenn auch der Ausbau zusätzlicher Kapazitäten beschleunigt wurde.

2. Festnetztelefonie erlebt erstaunliche Renaissance

Seit Jahren verzeichnen wir als Netzbetreiber eine stetige Abnahme des Telefonievolumens im Festnetz. Der jährliche Rückgang betrug rund 10 Prozent im Durchschnitt. Der erste Lockdown im März/April 2020 brachte eine erstaunliche Trendumkehr. Das Telefonievolumen verdoppelte sich. Wesentlich für den Anstieg gerade in den ersten Tagen waren Umleitung auf Mobilfunk und Festnetz-Nutzung im Homeoffice.

Im zweiten Lockdown war der Anstieg nicht mehr ganz so stark, aber auch hier konnte ein Plus von 50 Prozent gegenüber Zeiten vor der Pandemie verzeichnet werden. Gerade die Unternehmen haben den Sommer 2020 genutzt und Alternativen zur Umleitung auf den Mobilfunk und vor allem Kollaborations-Tools etabliert und somit den Anstieg begrenzt.

3. Für Cloud-Lösungen ist noch Luft nach oben

Viele Unternehmen haben gerade im ersten, aber auch im zweiten Lockdown ihre Internetbandbreite am Hauptunternehmensstandort deutlich erhöht. Ein klares Zeichen für eine starke Verlagerung der Tätigkeiten ins Homeoffice mit weiter verbleibendem Zugriff auf Unternehmensdaten über ein VPN am Unternehmensstandort anstatt einer vollständigen Cloud-Nutzung.

4. Die echte Nachfrage ist geringer als die gefühlte Nachfrage

Erstaunlich, aber wahr: Ein nennenswerter Nachfrageanstieg des Bandbreitenbedarfs zu Hause erfolgte erst im zweiten Lockdown. Stand heute schöpfen nur ca. ein Drittel aller Haushalte, die auf eine Bandbreitenversorgung von 100 Mbit/s zugreifen können, diese auch wirklich aus. Allerdings müssen an diesem Punkt auch wirtschaftliche Aspekte mitberücksichtigt werden, die durch die Pandemie entstanden sind.

5. Aachen ist in Sachen Bandbreite gut aufgestellt

Schon heute verfügen über 99 Prozent der Haushalte in Aachen über Download-Bandbreiten von mehr als 30 Mbit/s. Bis Ende 2021 wird dieser Wert um das letzte notwendige Prozent gesteigert – durch den mit Mitteln des Bundes (50% der wirtschaftlichen Deckungslücke), des Landes NRW (40%) und Eigenmitteln der Stadt Aachen (10%) geförderten Ausbaus an den sogenannten weißen Flecken (Orte ohne schnelles Internet). Das betrifft auch die wenigen verbliebenen Schuleinrichtungen, die bisher noch nicht gigabitfähig angeschlossen sind. In Aachen befinden sich mehr als 30 Prozent der Haushalte in Gebäuden mit Glasfaseranschluss. Das sind ca. 15 Prozent aller Objekte/Häuser. Zudem verfügen alle Gewerbegebiete über Glasfaserinfrastruktur in jeder Straße (homes passed), teilweise von mehreren Anbietern.

Der Ausbau auf Glasfaser läuft dabei stetig weiter. Ziel ist eine möglichst flächendeckende, zukunftssichernde Glasfaserversorgung aller Gebäude. Alle Neubaugebiete und alle Gebiete mit Hausanschlusswechsel werden heute bereits mit Glasfaser nach dem Prinzip „Fibre to the home“ (FttH) ausgebaut. Der Rest des Stadtgebiets wird sukzessive nach wirtschaftlichen Kriterien weiter ausgebaut. Dabei gewähren sich die Netzbetreiber zunehmend wechselseitig Zugang zu ihren Netzen, um Kund:innen weiterhin ihre Leistungen anbieten zu können. Sie unterstützen sich außerdem gegenseitig durch Investitionsbeteiligung im Ausbau. Der anstehende (geförderte) Ausbau der grauen Flecken (Internetversorgung von weniger als 100 Megabit pro Sekunde) allein wird allerdings keine Flächendeckung der Glasfaserversorgung bringen können, denn auch koaxiale Kabel-TV-Netze gelten offiziell (DOCSIS 3.1 Standard) als gigabitfähig im Sinne der Aufgriffschwellen der Förderung.

Andreas Schneider ist Geschäftsführer der NetAachen GmbH. Das Gründungsmitglied des DigitalHub Aachen baut und betreibt seit fast 25 Jahren Glasfasernetze in der Region und versorgt mit 120 Mitarbeitenden 70.000 Privat- und 3.000 Geschäftskunden mit Telekommunikations- und IT-Diensten.

Bildquelle Beitragsbild: © peterschreiber.media/ stock.adobe.com

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