Aachen, 09. September 2020: Auf der gestrigen Fuck Up Stories – Startup Edition in der digitalCHURCH Aachen und im YouTube Livestream erzählten vier Gründerinnen und Gründer, wie sie mit ihrem Startup gescheitert sind und was sie daraus gelernt haben. Die Idee hinter Fuck Up Stories ist, das Tabuthema „Scheitern“ aufzubrechen und salonfähig zu machen.
„Mit der Veranstaltung möchten wir Mut machen, verrückt zu sein und Ideen anzupacken“, sagt Iris Wilhelmi, Geschäftsführerin des digitalHUB Aachen e.V. „Indem die Gründerinnen und Gründer ihre Geschichten teilen, schaffen sie nicht nur eine höhere Akzeptanz für Misserfolge, sondern geben gleichzeitig wertvolle Erfahrungen weiter“, ergänzt sie.
Die Fuck Up Stories – Startup Edition war das dritte Event der Veranstaltungsreihe, die in Kooperation von QuellPunkt, digitalHUB Aachen, AC.E – Aachener Entrepreneurship Team, Collective Incubator, Exzellenz Start-up Center & RWTH Innovation, der Zentralen Studienberatung der RWTH Aachen sowie der Koordinierungsstelle „Zweifel am Studium“ der FH Aachen organisiert wird. Das Event fand hybrid statt: 50 Zuschauer:innen folgten dem Event live in der digitalCHURCH und weitere 100 Teilnehmer:innen verfolgten das Event im YouTube-Livestream. Christina Mertsch, Entrepreneurial Manager, RWTH Innovation und Magdalena Gorecki, Startup Coach beim digitalHUB Aachen e.V. führten als Moderatorinnen durch den Abend.
Laut Statistik scheitern 80 Prozent aller Startups in den ersten drei Jahren – kein Wunder also, dass das Scheitern in der Gründermentalität kein Tabuthema ist, sondern als „Failosophie“ darin einen festen Platz hat. Dass 60 Prozent der Gründerinnen und Gründer im Falle des Scheiterns wieder ein Startup gründen, zeigt den besonderen Reiz des Startup-Ökosystems. „Bei innovativen Ideen und Projekten geht unweigerlich etwas schief, manche scheitern sogar komplett, auch bei unseren Startups in Aachen“, erklärt Christina Mertsch, Entrepreneurial Manager, RWTH Innovation. „Jede Gründerin und jeder Gründer hat schon diese Erfahrung gemacht. Aber nur diejenigen, die offen mit diesen Fehlern und Fuck Ups umgehen, können daraus lernen und ein erfolgreiches Startup auf die Beine stellen.“
Nach dem Grußwort der digitalHUB Geschäftsführerin Iris Wilhelmi berichteten vier Speaker aus unterschiedlichen Bereichen je sieben Minuten von ihren Momenten des Scheiterns.
Den Anfang machte Raphael Allstadt, Co-Gründer des Startups tl;dv, das kürzlich seine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen hat. Bevor Raphael Allstadt mit tl;dv durchstartete, durchlebte er eine Reihe von Misserfolgen mit seinem vorherigen Startup Mosaeek, einer App für Videointeraktion. Woran es scheiterte? „Wir haben es letztlich nicht geschafft, die Investoren von dem zu überzeugen, was unser Produkt ausmacht“, berichtet Raphael. Seine Learnings: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Denn vor dem Aus mit Mosaeek gab es Phasen des Höhenflugs und vielversprechende Treffen mit potenziellen Großkunden und Investoren. „Außerdem haben wir uns zu sehr auf die Außenwirkung und zu wenig auf den Kern unseres Produktes konzentriert“, so Allstadt.
Als nächstes stand Ruslan Goryanyy, Happiness Manager bei nevisQ, auf der Bühne. Ruslan Goryanyy hat schon bei einigen Startup-Projekten mitgewirkt und auf diesem Weg auch schon einige Fuck ups erlebt. Bei einem Startup-Projekt, einer Veranstaltungs-App, war es der Skandal um Facebook und Cambridge Analytica, der das Aus für das Geschäftsmodell bedeutete. Bei dem nächsten Startup, beeAzubi, waren der fehlende Teamzusammenhalt und die fehlende Bereitschaft von App-Nutzern, für die App zu zahlen, das Problem. Bei nevisQ, wo er aktuell arbeitet, läuft es dafür gerade richtig rund. „Mein Weg hat länger gedauert als andere Wege, aber ich würde ihn immer wieder so gehen“, resümiert Goryanyy. Seine Tipps für Gründer:innnen: „Arbeitet an Problemen, nicht an Produkten, sprecht Probleme im Team immer an und feiert auch die kleinen Erfolge!“
Die nächste Speakerin, Melanie Wagenfort, ist aktuell mit ihrem Startup Brajuu auf Erfolgskurs. Bereits mehrere überregionale Zeitungen berichteten über sie und ihre Mitgründerin und das gemeinsame „Boob-Tech-Startup”, mit dem die Gründerinnen Frauen helfen, den perfekt sitzenden BH zu finden. Der Weg zum Erfolg lief auch bei Melanie Wagenfort keineswegs gradlinig oder ohne Rückschläge. Angefangen mit der Idee, Wäsche nach Maß mit Hilfe eines 3D-Scans zu entwickeln, die sich als zu aufwendig erwies und zudem nicht bei genügend Kundinnen auf Akzeptanz stieß, landeten die Gründerinnen schließlich bei ihrem aktuellen Produkt: einer Unterwäscheplattform, auf der Nutzerinnen dank Algorithmen einen perfekt passenden BH finden. Ihre größten Learnings: „Erst wenn man alte Ideen loslässt, kann wirklich etwas Neues entstehen.” Und: „Verliebe dich nicht in dein Produkt, sondern in das Problem, das du lösen möchtest.”
Als letzter Speaker berichtete Dr. Bernd Geropp, Gründer von Geropp Leadership GmbH, Coach und Podcaster, wie er mit seinem ehemaligen Startup ACIDA GmbH scheiterte. Die Geschäftsidee: Sensorik für Wälzlager, mit denen über Schwingungen Schäden an Wälzlagern detektiert werden. Das Problem: Nach fünf Jahren war das B2B-Startup mit inzwischen 20 Mitarbeitern immer noch nicht profitabel und der Venture-Capital-Geber drehte den Geldhahn zu. Als ihm bewusst wurde, dass er, falls das Startup scheitern würde, womöglich auf einem Berg Schulden sitzen bleiben würde, fiel er in ein tiefes Loch, berichtete Geropp. Ihm und seinem Co-Gründer gelang es, das Startup zu verkaufen. „Jeder, der gründet, durchläuft Achterbahnfahrten. Aber es lohnt sich auf jeden Fall. Es gibt kein Projekt, bei dem man so viel lernt, wie beim Gründen eines Startups“, resümiert er. Nach einigen Jahren der Festanstellung machte er sich wieder selbständig und ist heute Gründer eines erfolgreichen Unternehmens.
In der abschließenden Q&A-Runde, beantworteten und diskutierten die vier Speaker Fragen aus dem Publikum.
Die nächsten Events in der Veranstaltungsreihe Fuck Up Stories sind die „Student Edition“ am 19.11.2020., gefolgt von einer Startup Edition am 28.01.2021.