Funds statt Flowers – Das war das Open Panel zum Weltfrauentag: Spotlight on Gender Investment Gap

„Diversität geht uns alle an, alle Geschlechter sollten sich bei diesem Thema zusammentun und starke Teams bilden.“ Und: „Der wichtigste Hebel, den wir auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung haben, ist das Thema Bildung.“

Das sind einige der Gedanken und Lösungsideen aus dem Open Panel zum Gender Investment Gap, den der digitalHUB am 8. März, dem Weltfrauentag, veranstaltet hat. Rund 50 Teilnehmer:innen verfolgten die Panel Discussion, an die eine offene Diskussion mit dem Publikum anknüpfte.

 

 

Was ist das Gender Investment Gap?

Als „Gender Investment Gap“ wird die Kluft bezeichnet, die sich zwischen den von Frauen und von Männern gegründeten Startups beim Thema Finanzierung auftut. Abgesehen von der niedrigen Gründerinnenquote von 17,7 Prozent im Bundesdurchschnitt (Deutscher Startup Monitor 2021), haben Frauen-Teams es nachweislich schwerer, Kapital zu akquirieren und erhalten dann niedrigere Investments (Female Founders Monitor 2020). Die Panelist:innen, die ihre Erfahrungen zu dem Thema teilten waren Andera Gadeib, Geschäftsführerin und Gründerin der Dialego AG, Susana Gomez, Co-Founderin des DesignTech-Startups LÆMON, Melanie Wagenfort, Co-Founderin des FashionTech Startups Brajuu, Dr. Ansgar Schleicher, Vorstand der S-UBG und Geschäftsführer des TechVision Fonds und Ruth Schöllhammer, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Gründerverbands, Mitglied des Female Investors Network, Investorin und Gründerin. Moderiert wurde das Open Panel von Magdalena Gorecki, Startup-Coach im digitalHUB.

Die 5 Panelist:innen (unten) mit den Organisatorinnen aus dem digitalHUB, die den Open Panel mit insgesamt 50 Teilnehmer:innen gestalteten

Es gibt viel zu tun: Aachen bei Gründer:innenquote unter dem Bundesdurchschnitt

„Wir möchten mehr Gründerinnen in der Region Aachen haben. Immerhin ist in den letzten Jahren die Gründerinnenquote im digitalHUB um 5 Prozent gestiegen, von 9 auf 14 Prozent, damit liegen wir in Aachen aber leider noch immer unter den Bundesdurchschnitt. Meine Beobachtung ist, dass das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Studierendengruppen im Bereich Entrepreneurship annähernd ausgeglichen ist, wenn es dann aber um das Gründen und das Geschäft geht, ändert sich das“, teilt Iris Wilhelmi, Geschäftsführerin des digitalHUB Aachen, bei ihrer Begrüßung ihre Beobachtung.

Iris Wilhelmi, Geschäftsführerin des digitalHUB Aachen e.V.

Ein Blick auf die Zahlen

Um diese Problematik deutlich aufzuzeigen und zu vertiefen, zeigte die Moderatorin einige Zahlen und Statistiken: Unter denjenigen Gründerinnenteams, die ein Investment erhalten haben, bekamen nur 5,2 Prozent mehr als eine Millionen Euro Funding, unter den Männer-Teams, die Investitionen erhielten, bekamen dagegen 27,3 Prozent über eine Millionen Euro Funding. Eine Rolle spielt sicherlich, dass auch die Investor:innenszene männlich dominiert ist. Nur rund 13 Prozent der Business Angels in Deutschland sind Frauen.

Was sind weitere Ursachen für das Gender Investment Gap und wie lässt sich mehr Gleichberechtigung schaffen? Diese Fragen wurden in den Panel Talks und der Panel Discussion vertieft.

Wie kommt das Gender Investment Gap zustande?

„Viele frauengeführte Startups wollten mit ihren Produkten oder Dienstleistungen soziale und ökologische Probleme lösen und stoßen damit bei klassischen Venture Capitalists nicht immer auf viel Gegenliebe. Die Portfolios sind sehr stark von B2B- und SaaS-Unternehmen geprägt und diese werden noch vorwiegend von Männern gegründet“, teilt Susana Gomez, Co-Founderin von LÆMON, ihre Erfahrung. „Innovation und Unternehmertum aus Deutschland könnten wahnsinnig divers sein, wenn sich Entscheider breiter und differenzierter aufstellen. Wenn wir nicht anfangen zu sehen, dass soziale und ökologische Themen auch wirtschaftlich höchst attraktiv sind, investieren wir an unserer eigenen, nachhaltigen Zukunft vorbei.“

Susana Gomez, Co-Founderin des DesignTech-Startups LÆMON

Melanie Wagenfort, Gründerin des FashionTech-Startup Brajuu, hat auf ihrem Gründungsweg selbst die Erfahrung mit einigen geschlechtsspezifischen Vorurteilen (Gender Bias) machen müssen. Beispielsweise frage sie ein Investor vor seiner Entscheidung, ob sie vorhabe, in den nächsten fünf Jahren schwanger zu werden. Ein weiterer Investor entmutigte sie mit der Aussage, dass sie als Frau um Faktor 10 härter arbeiten müsse als ein Gründer mit einem nicht weiblich fokussierten Produkt. Mit beiden Investoren kam es nicht zur Einigung, dafür fanden Melanie und ihr Co-Founder vier Business Angels – zwei Männer und zwei Frauen – die sie auch über die Finanzierung hinaus unterstützen. „Zum Weltfrauentag, der eigentlich der feministische Kampftag ist, wünsche ich mir weder Lippenstift noch Blumengeschenke, sondern Funds statt Flowers. Was wir brauchen, ist Gleichberechtigung, gerade auch beim Thema Investment“, schließt Melanie ihren Panel Talk.

 

Melanie Wagenfort, Co-Founderin des FashionTech Startups Brajuu

Dr. Ansgar Schleicher bringt seine Erfahrungen als Investor mit in das Panel ein. Der TechVision Fonds habe tatsächlich Stand jetzt noch keine einzige Gründerin im Startup-Portfolio, was teilweise daran liege, dass Frauen weniger gründen und dann noch unterproportional oft im Technologiebereich. Gleichzeitig bemerke er aber, dass langsam ein Wandel stattfinde, da sich in den letzten Monaten erstmals Gründerinnen auf ein Investment beworben hätten und der TechVision Fonds aktuell mit mehreren gemischten Teams kurz vor Abschluss einer Finanzierung stünde. Ein häufiges Phänomen, dass er selbst auch aus Personalgesprächen kenne, und dass eine Studie vom Harvard Business Review bestätige: Frauen bis Mitte 40 neigen dazu, sich zu unterschätzen, während sich Männer bis in ihre späten 40er überschätzen. „Wenn man sich anschaut, wann das Frauenwahlrecht eingeführt wurde und wann wir unsere erste Bundeskanzlerin hatten, würde ich vorschlagen, wir sollten auf dem Weg zur Gleichberechtigung ein bisschen an Tempo zulegen“ hält Dr. Ansgar Schleicher fest.

Dr. Ansgar Schleicher, Vorstand der S-UBG und Geschäftsführer des TechVision Fonds

Maßnahmen, um Gender Bias und das Gender Investment Gap zu überwinden

„Es fängt schon mit der Bildung an. Gender Stereotyping findet im Alter von 5 bis 7 Jahren statt. Wir brauchen neue Rollenbilder und wir brauchen einen anderen Blick auf die Bildung, wenn es darum geht mit Geld und Investments umzugehen,“ sagt Andera Gadeib und unterstreicht das Zitat von Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen, im Rahmen der Social Media Awareness-Kampagne des digitalHUB zum Weltfrauentag: „Lassen Sie das Geld nicht den Männern liegen.“ Außerdem merkt Andera Gadeib an, dass es in puncto Rollenbilder insbesondere auch bei der Besetzung von Tech-Panels wichtig sei, nicht nur Männer, sondern auch Frauen auf die Bühne zu bringen.

Andera Gadeib, Geschäftsführerin und Gründerin der Dialego AG

Ruth Schöllhammer, Gründerin, Unternehmerin und Vorstandsvorsitzende des Deutschen Gründerverbands hält zum einen fest, dass es neben Venture Capital viele weitere Finanzierungsinstrumente, beispielsweise Kredite gebe und dass in diesem Bereich die Gründerinnenquote mit zwischen 30 bis 40 Prozent schon deutlich höher sei. Um mehr Gleichberechtigung in den VC-Bereich zu bringen, schlägt sie folgenden Ansatz vor: „Wir brauchen mehr Transparenz und Standards, um Gleichberechtigung hinzubekommen.“

Ruth Schöllhammer, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Gründerverbands, Mitglied des Female Investors Network, Investorin und Gründerin

To be continued…

Insbesondere bei dem Punkt, dass Bildung das mächtigste Instrument auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung sei, und dass ein Mindset-Wandel erfolgen, und mehr Sensibilität für das Thema Gleichberechtigung geschaffen werden müsse, sind sich alle Panelist:innen einig. Eine gute Möglichkeit, um schon Mädchen für eine technische oder digitale Laufbahn zu begeistern seien beispielsweise Formate wie der Girlsday, den der digitalHUB am 28. April nach der ersten Auflage 2019 nun zum zweiten Mal zusammen mit dem gemeinnützigen Verein IT4Kids veranstaltet. Eine Teilnehmerin des Open Panels schlägt vor, dass auch Startups mehr Veranstaltungen im Rahmen des Girlsdays anbieten könnten, um schon Schülerinnen das Thema Gründung nahe zu bringen.

Fest steht: Beim Thema Gleichberechtigung und Diversität ist in der Startup-Welt noch ziemlich viel Luft nach oben. Seitens des digitalHUB nehmen wir viel aus dem Open Panel für uns mit, werden weiter am Thema dranbleiben und denken bereits über weitere Formate nach.

Du hast Ideen oder konkrete Ansatzpunkte für mehr Gleichberechtigung in der HUB Community? Dann teile uns diese gerne mit: feedback@hubaachen.de

Wir freuen uns auf weiteren Austausch!

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