5 Dinge, die ich über Venture Capital gelernt habe

Zugegeben – die letzte Finanzierungsrunde für unser Startup Bobbie, welches ich im Februar 2017 mit meinem Co-Founder Tim gegründet habe, hat ganz schön lange gedauert. Als erstmalige Gründer haben wir etwas unterschätzt, wie viel Zeit man einplanen muss, um den richtigen Finanzierungspartner zu finden. Bis unsere Series-A-Finanzierung feststand, mussten wir viele Gespräche mit Venture Capitalists und anderen potenziellen Investor:innen führen. Ein Grund dafür: Als (digitale) Baustoffhändler stellen wir uns in einer noch sehr traditionellen Branche Herausforderungen, die vielen potentiellen Investor:innen nicht vertraut sind. Damit gehen auch viele Problemstellungen einher, die wir mit unserem Geschäftsmodell und technologischen Innovationen beantworten. Doch durch den Prozess konnten wir ein tiefergehendes Verständnis für das deutsche Venture-Capital-System aus der Sicht eines B2B-Startups entwickeln.

 

Unsere Erkenntnisse haben wir in den folgenden Hinweisen zusammengefasst, die euch dabei helfen können, Investor:innen für euch zu gewinnen. Auch wenn wir uns zunächst entschieden haben, im Wesentlichen Branchengrößen als Investoren zu gewinnen, und uns dadurch einen siebenstelligen Millionenbetrag sichern konnten, möchten wir in zukünftigen Finanzierungsrunden wieder mehr auf Venture Capital setzen und werden dabei diese fünf Lektionen beherzigen.

Kaufen zum Verkaufen

Unsere wichtigste Einsicht, denn wir haben sehr lange gebraucht, um es zu verstehen: Venture Capitalists wollen nicht in dein Startup investieren – sie wollen dein Startup vor allem später verkaufen. Daher sollte man beim Pitch nicht nur den Fokus auf die Entwicklung der nächsten ein bis zwei Jahre legen, sondern auch eine langfristige Perspektive vorstellen, die einen Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt mit einbezieht. Auch wenn das aus Gründer:innensicht noch sehr nebulös ist. Ebenso relevant ist es, Unternehmen ins Spiel zu bringen, die die Geschäftsanteile der Venture Capitalists später erwerben könnten. Dies funktioniert am besten, indem man erklärt, warum der Kauf des Startups auch für zukünftige Interessen eine gute Idee ist.

Buzzwords und technischer Background

Die meisten Venture Capitalists beschäftigen Mitarbeitende mit dem beruflichen Schwerpunkt Finance und ohne Ausbildung in einem technischen Fach. VCs sehen täglich eine Vielzahl von Pitches und sind in der Regel mit den komplexen und verflochtenen Strukturen traditioneller Branchen wie der Baubranche nicht vertraut. Es geschieht daher nur selten, dass dein Gegenüber tiefergehendes Branchenwissen besitzt, selbst (!) wenn der Fonds regelmäßig in eine bestimmte Branche investiert. Daher findet man auf den meisten VC-Websites eine Ansammlung von Fokus-Verticals oder Tech-Buzzwords, in die sie gerne investieren. Nur ganz selten gibt es dazu passende Expertise. Also am besten vorher einmal die LinkedIn-Profile der Ansprechpartner:innen anschauen. Außerdem werden B2B-Unternehmen häufig aus einer B2C-Brille betrachtet, denn diese Brille ist jede:r gewohnt. Das kann man nicht stark genug unterstreichen. VCs versuchen z.B. immer, uns mit Amazon zu vergleichen, auch wenn wir mit Amazon genauso viel gemeinsam haben, wie mit dem Kiosk um die Ecke. Beide sind Händler, that’s it.

Daraus folgt, dass man selbstverständlich darüber sprechen sollte, worin der Wert der eigenen Technologie besteht und wie sie sich von Wettbewerbern abgegrenzt. Oberflächliche Tech-Buzzwords braucht man aber erst mal nur, um dahinter einen Haken setzen zu können und den Fuß in die Tür zu bekommen. Für das Investment geht es letztendlich mehr darum, wie die Technologie in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen mündet.

Innovationszyklen und Technologien

Ob eine Technologie für Umsätze sorgt, hängt davon ab, ob es für die Zielgruppe eine Innovation ist. Die Raumfahrt liegt technologisch vor der Luftfahrt und diese wiederum vor dem Automobilbau. Technologisch liegen dazwischen mitunter Jahrzehnte, dennoch gibt es auch hier ständig spannende Innovationen, die ihren Ursprung in etablierten Technologien aus Raumfahrt und Luftfahrt haben. Selbst wenn andere Branchen eine neuartige Technologie bereits erfolgreich einsetzen, handelt es sich bei der Adaption auf die eigene Branche dennoch um eine Innovation mit entsprechendem Wert. Technikferne VCs haben allerdings häufig wenig Verständnis für diesen Effekt und möchten wissen, wie viel Revolutionäres die Technologie beinhaltet. Darum wird in KI investiert, obwohl in der Branche sogar noch Probleme mit CSV-Dateien bestehen. Für ein erfolgreiches Investment sollten Startups daher deutlich machen, inwiefern sie nicht nur im Vergleich mit anderen Branchen, sondern vor allem auch innerhalb ihrer Branche technologische Vorreiter sind. Startups tun gut daran, ein paar Entwicklungstage in “KI” zu investieren, damit man im Gespräch behaupten kann, eine KI-basierte Technologie zu verwenden. Stimmt nicht, ist aber auch nicht gelogen und hilft stark.

 

Produktreife und Umsatzkurven

Für den VC sind vor allem zwei Zeitpunkte im Lebenszyklus eines Startups wichtig: Am Anfang interessiert er sich vor allem für das Setup aus Konzept, Technologien, Team und Vision. Das geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine fertigen Produkte produziert werden. Zum zweiten Zeitpunkt möchten Venture Capitalists vor allem Umsatz sehen. Dazwischen gibt es keine gute Phase. Denn wenn das Produkt also “nur” halb fertig ist und daher am Markt im Zweifel nicht platzierbar ist, wurde bereits eine Menge Geld investiert, ohne dafür eine externe Validierung zu erhalten. Aus der Sicht der VCs ein hohes Risiko, denn das bisher Erreichte fachlich einzuschätzen ist schwer. Dementsprechend schwierig ist es, zu diesem Zeitpunkt Geld einzusammeln.

Der Umsatz ist für Venture Capitalists so relevant, da sie die Umsatzkurve extrapolieren und darauf basierend das Potenzial deines Startups schätzen. Selbst wenn diese geschätzte Entwicklung nicht realistisch ist – und das kann sie aus unserer Sicht nie sein – musst du hier entsprechend Umsätze liefern und dabei möglichst die Sprache des VC sprechen.

 

 

Bewertung und Rendite

Zur Bewertung eines Startups gibt es viele verschiedene theoretische Methoden und Modelle. Aus unserer Erfahrung ist es für das Startups zunächst am einfachsten, den eigenen Wert auf Basis der benötigten Finanzierungssumme zu berechnen und das dann mal fünf zu nehmen. Damit kalkuliert man, dass häufig 20 Prozent Anteile pro Finanzierungsrunde ausgegeben werden, der Rest ist Dreisatz. Das ist natürlich nicht fundiert. Mit diesem Ansatz ist es nur noch fraglich, ob Investor:innen auch bereit sind, diese Summe zu zahlen. Venture Capitalists verwenden derweil verschiedene Modelle, z.B. den Startup-Wert mit dem Liquiditätsergebnis, welches sie bei einem zukünftigen Exit erhalten werden, zu berechnen. Dafür nehmen sie den zukünftigen potenziellen Unternehmenswert, und diskontieren diesen mit einem Zinssatz in der Höhe der erwarteten Rendite. Das ist aber genauso wie diverse andere Modelle starkes Glaskugellesen. Darum würde ich mich als Gründer:in damit nicht intensiv beschäftigen. In dem für das Startup besten Fall entsteht die Bewertung aus der Nachfrage – nämlich dann, wenn die Vision der Gründer:innen so überzeugend ist, dass viele Menschen investieren möchten. Der Konkurrenzdruck unter den Investor:innen treibt die  Bewertung in die Höhe. In solchen Fällen besteht dann sogar die Möglichkeit, mitten in der Phase der Produktentwicklung an Investitionen zu kommen, siehe z.B. die Flugtaxi-Branche.

Was haben wir daraus geschlossen?

Durch die Finanzierungsrunde wissen wir jetzt nicht nur mehr über den Umgang mit Venture Capitalists, sondern haben auch eine genauere Vorstellung davon, was unsere Partner mit an den Tisch bringen müssen, damit sowohl Mentalität als auch Arbeitsweise zueinander passen. Das heißt konkret, dass wir uns VCs suchen, die einen guten Einblick in unsere Branche haben und daher unsere komplexen Systeme besser nachvollziehen können. Für zukünftige Finanzierungsrunden werden wir uns stärker fokussieren und mehr Zeit und Raum einplanen, auch um gegenseitiges Vertrauen aufbauen zu können.

Über den Autor

Alexander Gran bringt die digitale Komponente in das Gründer-Duo des Baustoff-Startups bobbie. Er blickt auf eine langjährige Laufbahn in der IT-Branche zurück. Seit 2017 arbeitet er gemeinsam mit Co-Founder Tim Kuhlmann daran, den Baustoffhandel in das 21. Jahrhundert zu bringen.

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