Emotionale Intelligenz und Achtsamkeit in digitalen Zeiten

Schnell noch die E-Mail verfassen, um dann zum nächsten Meeting zu eilen (oder sich online einzuloggen) und bis zum Feierabend unter Zeitdruck weitere To-dos abarbeiten: Den meisten Personen sind im beruflichen sowie im privaten Alltag Herausforderungen und Termindruck bekannt. Meist wird erst abends nach einem langen Tag ersichtlich, wie Aufgaben wie an einer Perlenschnur abgearbeitet wurden. Oft werden diese nicht bewusst wahrgenommen und in einer Art Autofokus durchgeführt. Dieser „Autopilot“ verhindert teilweise, dass Aufgaben in ihrer Fülle wahrgenommen und wertgeschätzt werden und erzeugt manchmal ein Empfinden, nicht wirklich etwas geschafft zu haben, da die Aufgaben unbewusst oder routiniert abgearbeitet wurden. Dies kann zu Erschöpfungsgefühlen führen und sich bei Daueranspannung negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Doch was können wir in unserem heutigen schnelllebigen, digitalen Alltag tun, um diesen zu entschleunigen und gestärkt aus einem Arbeitstag herauszugehen?

Zwei Arten von Achtsamkeit: Informelle und formelle Achtsamkeit

Integration von Achtsamkeit in den Berufskontext ist eine Möglichkeit, um die eigene Organisationskultur für die Herausforderungen des Alltags zu stärken. Es zeigt sich, dass sich eine achtsame Haltung positiv auf die eigene Gesundheit (vgl. Janssen et al., 2018) und auch auf Unternehmensprozesse wie Agilität (vgl. Artikel von Greiser und Martini (BCG), 2018) auswirken kann. Doch wie können wir Achtsamkeit in unseren Arbeitsalltag integrieren? Zunächst gilt es, die zwei Arten achtsamer Übungen zu unterscheiden: informelle und formelle Achtsamkeitsübungen.

  • Informelle Achtsamkeitsübungen: Hier werden alltägliche Aufgaben, welche wir oft unbewusst und schnell ausführen, bewusst achtsam durchgeführt. Beispielsweise könnt ihr euch in eurer Mittagspause die Zeit nehmen, euer Essen bewusst wahrzunehmen. Folgende Fragen können helfen, die bewusste Wahrnehmung des Essens zu unterstützen: Welche Geschmacksqualität hat das Essen (sauer, süß, salzig)? Wie ist die Konsistenz? Ist das Gericht warm oder kalt?
    Die Fragen helfen uns, bekannte Tätigkeiten achtsam und bewusster durchzuführen und die eigene Konzentration zu verbessern. Es reicht bereits aus, sich wenige Minuten auf eine Wahrnehmung zu fokussieren. Wichtig ist, dies immer wieder zu erproben, da auch die bewusste Wahrnehmung geschult werden muss. Weitere Möglichkeiten zur Erprobung einer achtsamen Haltung können Routineaufgaben sein, im beruflichen Kontext z.B. Kopieren, Treppensteigen, Kaffeezubereiten, oder im privaten Bereich Zähneputzen oder Kochen.
  • Formelle Achtsamkeitsübungen: Diese Übungen sind im Unterschied zu den informellen Aufgaben komplexere Übungen, für welche mehr Zeit eingeplant werden sollte. Hierunter fallen achtsames Gehen, Imaginationsübungen wie der Body-Scan oder Entspannungsverfahren (z.B. Übungen zur Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobsen). Solche Übungen könnten als Pause in den Arbeitsalltag integriert oder einmal wöchentlich von einer geschulten Person für alle Mitarbeiter:innen im Sinne der Gesundheitsförderung angeboten werden.

Achtsamkeit in der Organisation kultivieren

Achtsamkeit kann in den unterschiedlichsten Formen in die Organisationskultur integriert werden. Dies kann durch achtsame Pausen zur Gesundheitsförderung geschehen. Auch ein achtsames Miteinander durch Kommunikation von Wertschätzung und Kultivierung von Empathie wirkt sich positiv und leistungsfördernd auf das Betriebsklima aus. Die Meta-Analyse von Vonderlin et al. (2020) zeigt unter anderem, dass durch die Integration von achtsamen Inhalten in den Berufsalltag Stress reduziert und das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen gesteigert werden kann. Besonders in Hinblick auf digitale Teams und eine hybride Arbeitskultur ist es wichtig, auch über Online-Kanäle, welche die kurzen Pausen auf dem Flur ersetzen, die Befindlichkeit des Gegenübers mitzubekommen und empathisch zu sein. Zudem kann eine bewusste Wahrnehmung in interaktionellen Situationen helfen, Widerstände bei Veränderungen wahrzunehmen und individuell auf diese einzugehen. Des Weiteren kann durch emotionale Kompetenz die Beziehung in digitalen Arbeitssituationen gestärkt werden. Diese emotionale Kompetenz, auch bekannt unter der Begrifflichkeit der emotionalen Intelligenz, stellt heutzutage einen wichtigen Faktor für erfolgreiche Führungskräfte dar. Doch was beinhaltet dieses Konzept?

Emotionale Intelligenz als wichtiger Faktor einer neuen Führungskultur

Das Konzept der emotionalen Intelligenz (EI) beschrieb Daniel Goleman 1995 in seinem Buch „Emotional Intelligence – why it can matter more than IQ“. Goleman geht davon aus, dass sich emotionale Intelligenz aus vier Dimensionen zusammensetzt: Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement, soziales Bewusstsein und Beziehungsmanagement.
Aus den Dimensionen ergibt sich eine achtsamere Haltung gegenüber der Umwelt und ein sensiblerer Umgang in Interaktionen. Zum einen ist es hilfreich, eigene Emotionen und Bedürfnisse zu kennen, die in soziale Interaktionen eingebracht werden und diese auch entsprechend regulieren zu können. Außerdem fühlt sich das Gegenüber durch ein empathisches auf ihn/sie Eingehen wertgeschätzt. Des Weiteren hat emotionale Intelligenz Einfluss auf erfolgreiche Führung, die laut Untersuchungsergebnissen zu 67 % auf EI basiert (vgl. Bar-On, 2006). Ebenfalls zeigen Forschungsarbeiten, dass Führungskräfte mit ausgeprägter emotionaler Intelligenz z.B. durch die Verbesserung des Arbeitsklimas eine Steigerung der Produktivität von 20 % erreichen konnten.

Achtsame Auszeit

Eine gute Übung zur Kultivierung einer achtsamen Haltung im Berufsalltag sind achtsame Pausen. Diese kann man dafür nutzen, kurz innezuhalten und bewusst wahrzunehmen, wie die eigene Befindlichkeit ist, ob ein Bereich im Körper verspannt ist oder mit welcher Körperhaltung man am Schreibtisch sitzt. Hierfür kann es hilfreich sein, den Fokus auf den eigenen Atem zu richten. Der Atem kann helfen, sich mehr im Hier und Jetzt zu verankern sowie sich und seine Umwelt bewusster wahrzunehmen. Das schöne ist, dass der eigene Atem einen jeden Tag begleitet und schnell greifbar ist.

Versucht einmal, ein paar Atemzüge lang, in eurem eigenen Atemrhythmus, bei eurer Atmung zu verweilen. Die Übung kann helfen, den beruflichen Alltag zu entschleunigen und kurze Momente des Innehaltens einzubauen. Dies kann sich positiv auf das eigene Stressempfinden und den eigenen Energiezustand auswirken.

Die Stärkung der eigenen emotionalen Intelligenz sowie die Etablierung einer achtsamen Haltung sich selbst und anderen gegenüber kann zum einen die eigene Produktivität steigern sowie nachhaltig die Gesundheit erhalten. Aus diesem Grund sind beide Faktoren wichtige Bestandteil der neuen Arbeits- und Führungskultur.

Eda Körner-Tezer ist Coach & Consultant im digitalHUB Aachen. Die ausgebildete (Sport-)Psychologin hat sich auf die Bereiche Beratung, Workshops und sportpsychologisches Coaching spezialisiert und hat u.a. Vorerfahrung bei der PSB an der Hochschule Niederrhein und in der psychologischen Beratung der RWTH Aachen gesammelt.

 

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Eda Körner-Tezer
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